Die Dreharbeiten mit den Tieren

Kein Tiertransport über die Tschechisch-Deutsche Grenze

Im Voraus schon waren den einzelnen Rollen bestimmte Pferde zugeordnet worden, berichtet Vorlíček auf der tschechischen DVD. Zuerst mussten sich zwar Pferde und Schauspieler aneinander gewöhnen, aber während man in Tschechien drehte, klappte das ganz gut. Und nachdem ein Teil des Films in Böhmen gedreht worden war, sollten die Pferde nach Deutschland zu den dortigen Dreharbeiten transportiert werden.

 

Die Einreise wurde für die Tiere jedoch verboten, da ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt die ansteckende Maul- und Klauenseuche in der Tschechoslowakei grassierte - so die ostdeutschen Behörden.

 

Diese Krankheit befällt zwar nur Rinder und Schweine, Pferde also nicht, wird aber durch Schmierinfektionen übertragen, d. h. schmutzige Transportfahrzeuge, Schuhe und Kleidung von Menschen, die Pfoten von Hunden und Katzen und sogar Fleisch und Käse können das Virus weitergeben.

 

 

Daher gibt es in einem solchen Fall immer sehr strenge Hygiene- und Quarantänemaßnahmen, die ein Bericht aus dem tschechischen Ort Kyjov in Südmähren für den Winter 1972/73 anschaulich beschreibt:  

 

"Alle Bevölkerungsversammlungen sind verboten, mit Ausnahme von Ausschusssitzungen der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, lokalen nationalen Komitees, Gesundheitsämtern und JZD-Vorständen. Keine Organisation von Tanzunterhaltungen, Aufführungen in Kinos, Theatern, Versammlungen bei Gottesdiensten, Unterricht in Schulen und Sportbetrieben, einschließlich der Jagd auf Tiere bis auf weiteres. ... Das freie Laufen von Hunden, Katzen, Geflügel und anderen Tieren in Gemeinden ist verboten. ... Angesichts der Ausbreitung dieser bösartigen Krankheit werden die Bürger ermutigt, den Kontakt zwischen den Gemeinden der 1. Schutzzone auf den dringendsten Bedarf zu beschränken. ... Diese Maßnahmen zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche wurden im Januar und Februar umgesetzt, als das Dekret des ONV Hodonín-Rates aufgehoben wurde. Selbstverständlich haben diese Regelungen und die Umsetzung von Maul- und Klauenseuchebekämpfungsmaßnahmen Auswirkungen auf das gesellschaftliche und kulturelle Leben in unserer Stadt gefunden. Kyjov war praktisch frei von kulturellen Veranstaltungen. Das Panorama-Kino wurde stillgelegt, es gab keine Theater, es gab keine traditionellen Bälle, es gab keinen Auftritt von Haustierzüchtern." 

 

Aus Österreich gibt es ebenfalls Erinnerungen an den Seuchenzug in den frühen Siebzigern:

 

"Am Bauernhof der Familie Matthäus Böckl war die Maul- und Klauenseuche festgestellt worden. ... Am nächsten Tag wurde über den Ort die Quarantäne verhängt. Die Quarantäne bedeutete eine strenge Ausgangssperre. Die Häuser und der Ort durfte nur für unabdingbar notwendige Verrichtungen verlassen werden. Einkäufe wurden von Nachbarn erledigt, die bei sich zu Hause keinen Tierbestand hatten. Sie legten den Einkauf vor die Tür, jeder persönliche Kontakt wurde vermieden. Die Schule blieb ab dem 29. Mai geschlossen, die Kinder bekamen ihre Zeugnisse Ende Juni vom Lehrer ins Haus geliefert. Auch die Kirche war gesperrt und Feierlichkeiten wurden verschoben.

Wer den Ort verlassen wollte, musste sich auf einen wahren Spießrutenlauf gefasst machen. Bei den Ortseinfahrten waren Seuchenteppiche aus mit einem Desinfektionsmittel durchtränkten Sägemehl ausgebreitet. Die Seuchenteppiche mussten ständig feucht gehalten werden, waren bewacht und jeder der passieren wollte musste sich an mehr oder weniger streng gehandhabte Regeln halten. Oft hatte man mit dem Auto auf dem Seuchenteppich anzuhalten und alle Insassen mussten aussteigen, um das Schuhwerk zu desinfizieren."

 

 

Auch die Schauspieler des besten Films der Welt beschreiben, wie sie bei der Bahnfahrt nach Deutschland mit den Schuhen durch Desinfektionswannen steigen mussten. Das Filmteam durfte wegen der Seuche also keine Tiere über die Grenze bringen. Der Pferdepfleger wurde daher mit Fotos der Pferde losgeschickt, um passenden Ersatz zu besorgen. An den Pferden kann man daher im Nachhinein ganz gut erkennen, welche Szenen in der DDR, und welche in Böhmen gedreht wurden.

Im August 2003 traf ich Gerd Lilie. Dieser Herr hat vor 30 Jahren für das Filmteam diejenigen Pferde besorgt, die nicht durch das heutige sächsiche Landesgestüt in Moritzburg gestellt werden konnten. In allen Szenen, die in Moritzburg gedreht wurden, seht ihr also hauptsächlich Pferde des Landesgestüts. Die vier Schimmel der Königkutsche hat Herr Lilie von einem Bekannten in Mittweida besorgt. Herr Lilie selbst reitet im Film auf einem der beiden vorderen Pferde dieses Vierergespanns.

Die Stallszenen wurden in den Räumen des Sächsischen Landesgestüts gedreht. Dazu, so berichtet Herr Lilie, habe die Filmcrew ein paar provisorische Pferdeboxen aufgebaut und zwar, wie man 2012 in der OTZ lesen konnte, im Mittelstall neben dem Eingang zur alten Reithalle. Heute sind die Stallungen gerade frisch renoviert und neu eingerichtet und eingeteilt, so dass man nichts aus den glorreichen Tagen der DEFA-Filmproduktion wiederfindet.


Quellen:

  • Václav Vorlíček in seinem Interview auf der 2002er Ausgabe der tschechischen Film-DVD "Tri oríšky pro Popelku", Zlatý Fond České Kinematografie 2002, übersetzt von Renata Susewind
  • Kathrin Richter: Interview mit Herrn Gerd Lilie am 27.08.2003 in Moritzburg
  • Volker Steinhorst "Aschenbrödels Nebendarsteller" in der Ostthüringer Zeitung vom 28.12.2012
    (Danke an Lars Uhlmann!!)
  • Fotos: Kathrin Richter, Sven Miebach
  • Vlad. Kocman: Veterinární situace. In: mestokkyjov.cz/historie. Online am 18.11.2021 unter https://www.mestokyjov.cz/html/files/historie/kronika_pt1/svazek07/73_17.html
  • J. Öfferl: Ameis stand schon einmal unter Quarantäne: 1973. Dorfwiazhaus Ameis, Historisches. online am 18.11.2021 unter https://www.dorfwiazhaus.ameis.at/index.php?link=historisches