Die Dreharbeiten auf dem könglichen Ball

Ballszene in Babelsberg gedreht

Die Innenaufnahmenbeim Ball sind in den Babelsberger Filmstudios bei Berlin gemacht worden. Das sieht man bei genauem Hinsehen ganz gut an den Fenstern: Der Tanzsaal hat von innen relativ schmale Fenster, die oben leicht gewölbt sind. Schloss Moritzburg hat aber nur wenige oben gewölbte Fenster, die außerdem relativ breit sind.


Jetzt wird auch verständlich, warum Aschenbrödel von außen ein anderes Fensterfach anhaucht und sich ein Guckloch macht, als man dann von innen sehen kann (Super erkannt, Carsten!):


Von außen sieht man: Sie nimmt eins der näher am Mittelholm gelegenen Fensterchen. Von innen sieht man sie dann durch eins nahe am Fensterrahmen schauen. Vermutlich wollte man sichergehen, dass Aschenbrödels Auge auch wirklich neben König und Königin (bzw. dem Hofnarr, der neben dem König steht) zu sehen ist.

 

Nicola erzählte mir, dass man damals die Filme noch erst entwickeln musste und nicht während der Dreharbeiten das schon gedrehte Material ansehen konnte, was sicher zu diesem (kleinen) Fehler beigetragen haben dürfte. Zum Glück kennen heute die meisten Leute Eisblumen an den Fenstern höchstens noch aus dem Kinderlied "Schneeflöckchen Weißröckchen" sonst wüssten sie, dass die innen entstehen und man von außen lange hauchen kann, um sie zu schmelzen.

Fernsehballett tanzte auf dem Ball

Daniela Hlaváčová (links) berichtet von ihrer Fahrt in die DDR zu Dreharbeiten. Der Großteil der Gäste auf dem Ball sind Deutsche (u.a. soll auch das Fernsehballett oder das Friedrichsstadtpalast-Ballett dort getanzt haben). Václav Vorlíček erzählt in dem Interview auf der tschechischen DVD (übersetzt von Renata Susewind), dass ziemlich viele Tänzer gebraucht wurden, die alle aus Ostberlin kamen. Da Babelsberg ca. 40 km südwestlich außerhalb Berlins liegt, mussten sie um ganz Westerberlin herum fahren um zum Studio zu kommen. Die Tänzer hätten daher um drei Uhr morgens aufstehen müssen und seien abends erst gegen zwölf wieder zu Hause gewesen, erzählt Vorlíček.

 

 

Beim Ball kann man einige lustige Szenen beobachten. Sie wirken natürlich nur im Film richtig, also wenn ihr das nächste Mal schaut, dann könnt ihr ja mal drauf achten:

Dora zwinkert ihrer Mutter zweimal zu, während sie mit dem Prinzen tanzt. 

Aschenbrödel wartet vor der Tür des Ballsaals, bis die Ohrfeigen-Szene der Diener fertig ist.


Dieser Herr scheint äußerst überrascht, Aschenbrödel hereinkommen zu sehen. Überhaupt hat er ein ausdrucksvolles Mienenspiel.

Diese Szene musste offenbar enervierend oft gedreht werden. Nachdem der Prinz Aschenbrödel aufgefordert hat, verdreht die Dame in Lila die Augen, fügt sich aber in ihr Schicksal und tanzt weiter.



Der Herr in Rot schlendert von einem zum andern und schafft es so, ständig im Bild zu bleiben.

Als Aschenbrödel die dritte Frage stellt, vertanzt sich Kamil im Hintergrund so sehr, dass beide lachen müssen. Seine Tänzerin muss schließlich ihre Hand in seinen Rücken legen, um ihn zu leiten.


Zeitzeugen berichten vom Dreh des Balls

Wir haben im Februar 2006 zwei Menschen getroffen, die Anfang 1973 beim Dreh der Ballszenen dabei waren. Astrid und Dieter Wilhelm waren damals Mitglieder im Potsdamer Tanzsportclub "Rot-Gold".


Wie schon öfter davor und danach wurden auch diesmal die örtlichen Tanzvereine angesprochen, ob es nicht Mitglieder gäbe, die eine Statistenrolle in einer DEFA-Produktion übernehmen wollten. Von "Rot-Gold Potsdam" meldeten sich nur die Wilhelms. Frau Wilhelm war damals schwanger, genau wie "Dora" Daniela Hlaváčová. Da man noch nichts sah und die Tochter im Juni geboren wurde, meinen die Wilhelms, dass es Januar, vielleicht auch Februar gewesen sein muss.

 

Gedreht wurde in einem kunstvoll hergerichteten Saal der Babelsberger Studios. So war z.B. das schmiedeiserne Tor komplett aus Sperrholz hergestellt. Auf einer Balustrade saßen richtige Musiker (die aber nur so taten, als ob) und sogar der parkettartige Fußboden war extra für den Film angefertigt worden.

An einigen Abenden im Voraus wurde die Garderobe ausgewählt, denn es sollte ja ungefähr zum 15. oder 16. Jahrhundert passen, Hut, Oberbekleidung und Schuhe wurden ausgesucht und den Statisten wurde eingeschärft, nur ja keine Armbanduhr zu tragen und keine lackierten Fingernägel. Verteilt wurden die Kostüme nach dem Motto: "Da passt du rein, dann ist es das". Sehr zu Frau Wilhelms Bedauern, der das blaue Kleid, das ihr als "Loulou" zugewiesen wurde, überhaupt nicht gefiel.

So richtig zum Tanzen kamen die Statisten auch nicht. Die Wilhelms hatten angenommen, dass man mit ihnen noch einige Tänze einstudieren würde, aber tanzen taten nur die Herren und Damen des Friedrichstadtpalast-Balletts. Die Statisten sollten nur den Hintergrund füllen. So standen die beiden die meiste Zeit herum. Nur einmal durften sie in einer Geraden durch den Saal laufen, nämlich als nach Aschenbrödels Flucht der König nach Musik ruft. Die Musik war zu dem Zeitpunkt schon fertig und wurde vom Band eingespielt.

Einige Anekdoten konnten die Wilhelms aber doch zum Besten geben: Als Aschenbrödel aus dem Saal rennt, blieb zufällig jemand auf ihrer Schleppe stehen. Aschenbrödel rannte los und die Schleppe riss ab. Große Enttäuschung und die Szene musste nochmal gemacht werden. Erst aber wurde Pause gemacht, denn zunächst musste die Schleppe wieder angenäht werden. Pause war auch, als Aschenbrödel von außen durch die Fensterscheibe neben dem Königspaar schaut. Geübtere Statisten wussten sich solche Zeiten zu vertreiben, so hatten einige der älteren Damen stets ihr Strickzeug dabei. So ganz können die Wilhelms auch nicht nachvollziehen, dass für den Dreh des Balls drei Tage benötigt wurden. Aber man hat sich damals eben Zeit genommen und diese Sorgfalt merkt man dem Film heute noch an.

Lustig fanden die Wilhelms das Aussehen des Schleiers, den Aschenbrödel noch beim Betreten des Saals in ihren Haaren befestigt. Er sieht ja nun wirklich nicht sehr professionell aus, die Kante ist nicht mal gesäumt. Da aber kam uns die Idee, ob Aschenbrödel den nicht improvisiert hatte. Und tatsächlich trägt sie beim Betreten des Ballsaals zwei Stoffrüschen im Haar, später aber immer nur eine. Sollte sie die zweite herausgepflückt und als Schleier umfunktioniert haben? Vielleicht ist diese Szene der Schere zum Opfer gefallen.

Alle diese Dinge konnten die Wilhelms aus dem Hintergrund beobachten. Die Statisten wurden nach äußerlichen Kriterien auf bestimmte Posten eingeteilt. Junge Damen durften die Töchter sein und im Vorfeld wurde bestimmt, wer zu wem gehörte, z.B. Vater mit zwei Töchtern. Daher traten die Wilhelms nicht als Paar auf, sondern wurden getrennt voneinander platziert. Frau Wilhelm wurde also als Loulou dem Königspaar vorgestllt und musste dafür den Knicks vorher üben, während Herr Wilhelm immer nur dekorativ im Hinterund stehen durfte.

 

Nur in einer Szene sind beide deutlich und zufälligerweise auch zusammen zu sehen und zwar als Aschenbrödel den Prinzen begrüßt. Für die Szene, in der Aschenbrödel dem Prinzen davonläuft wurden alle die Statisten, die dabei im Bild waren, vom Maskenbildern nochmal extra geschminkt. So auch Herr Wilhelm.

 

Manchmal wurden Schienen für die Kamerafahrten durch den Saal gelegt, die später wieder abgebaut werden mussten. Entfernungen wurden sorgfältig ausgemessen. Auch gab es Regieanweisungen, wie man zu stehen und zu gucken hatte. So mussten alle besonders interessiert und gespannt schauen, als Aschenbrödel den Saal betrat. Auch bei ihrem Rätsel und der anschließenden Flucht sollte die Anspannung bei den Anwesenden spürbar sein. Sie durfte sich erst lösen, als der König "Spielt doch!" rief. Zwischen diesen Szenen konnten die Statisten sich etwas freier bewegen und einige haben das ja auch genutzt, um im Bild zu bleiben. An so etwas haben die Wilhelms damals gar nicht gedacht, was sie ein bisschen bedauern. Glücklicherweise ist Herr Wilhelm durch die "Ohren" an seinem Hut auch im Hintergrund gut auszumachen.

 

Solche Statisten wie die Wilhelms wurden von der DEFA öfters nachgefragt. Es gab 25 Mark für den Tag, die am Kleindarstellereingang auch immer sofort nach dem Dreh ausbezahlt wurden. Das war ein nettes Zubrot und da die Drehs um Zeit und Geld zu sparen oft nachts stattfanden, gab es Leute, die nachts bei der DEFA als Statisten aushalfen und tagsüber ihrer geregelten Arbeit nachgingen. Die Wilhelms aber haben das nicht gemacht sondern sich in ihren normalen Berufen freigenommen. In der DDR war es sogar häufig so, dass man für solche Kulturangelegenheiten freigestellt wurde und nicht einmal Urlaub nehmen musste. Da der Aschenbrödel-Dreh drei Tage dauerte konnten solche Fehlzeiten also manchmal nicht ganz unerheblich sein.

 

Leider können sich die Wilhelms kaum an Kinovorführungen erinnern. Der Film sei kaum gelaufen, erst nach der Wende habe der Boom angefangen. Beide haben 3hfa nie im Kino gesehen. Herr Wilhelm prophezeiht allerdings dass es irgendwann ein Remake geben wird.

 

Die Wilhelms haben auch noch in anderen DEFA-Filmen mitgewirkt, z.B. "Johann Strauß". Bei der Gala zum 50-jährigen Bestehen der DEFA in Babelsberg trat Herr Wilhelm mit einem Kostüm aus dem Film "Der Untertan" auf und Frau Wilhelm als Kleine Hexe. Auch ihre Tochter war als Statistin dabei.

 

Das Potsdamer Ehepaar ist immer noch im Tanzsport aktiv und 1997 ostdeutsche Meister geworden. An ihre Tochter haben sie die Begeisterung für den Sport weitergegeben.

 

Zu verdanken haben wir dieses nette Treffen mit den Wilhelms einem jüngeren Mitglied von "Rot-Gold Potsdam", Katrin Petermann, deren kleine Tochter mindestens dreimal im Jahr 3hfa schaut und dann erzählt, sie habe den Onkel Dieter wieder gesehen. Danke für die Vermittlung und liebe Grüße nach Potsdam!